Liebe Schwestern und Brüder!
Reichtum anhäufen und gleichzeitig die ArbeiterInnen ausbeuten – dieser Lesungstext ist aktueller denn je. Scheinbar wiederholt sich diese Thematik in jeder Generation.
Wer viel oder sehr viel Geld verdient, lässt oft andere Menschen für sich arbeiten – und beteiligt diese nicht angemessen am Gewinn, sondern spart bei ihnen zuallererst ein, denn sie sind ja abhängig vom Arbeitgeber, von der Unternehmerin.
Dieses Phänomen finden wir heute bei börsenotierten Konzernen im In- und Ausland, die – obwohl sie stabil in der Gewinnzone sind – MitarbeiterInnen entlassen, um die Dividende der Aktien erhöhen zu können. Wir finden es bei PlantagenbesitzerInnen im warmen Süden (und teilweise auch in Österreich), die so billig Obst und Gemüse zu jeder Jahreszeit in unsere Geschäfte bringen: Die Tagelöhnern (meistens MigrantInnen) pro 22-kg-Kiste Orangen 50 Cent fürs Pflücken zahlen – sodass diese maximal 330 Euro im Monat verdienen können. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse finden wir auch bei Textilketten, die im fernen Osten/Süden unter gefährlichen und unwürdigen Bedingungen zu Hungerlöhnen produzieren lassen.
Einerseits sind es die Geschäftsleute, die von den Gewinnspannen profitieren. Andererseits auch wir: wir machen uns die jederzeit billigen Lebensmitteln zunutze, die gute Performance unserer Wertpapiere und Pensionsfonds, die günstige und jederzeit austauschbare Kleidung.
Aber ein solches Verhalten ist nicht nur unmoralisch, sondern sogar himmelschreiend. Neben den ausgebeuteten Menschen schreit sogar das Geld, das nicht ausgegeben wurde, zum Himmel – der vorenthaltene Lohn, der sich vermutlich beim Silber und Gold in der Schatztruhe findet. Dieser Gewinn selbst wird zur Anklage, tritt auf als vorenthaltene Lebenschance, als mit Füßen getretenes Menschenrecht.
Ist es Unrecht, gewinnbringend zu wirtschaften?
So leicht will ich es mir nicht machen. Grundsätzlich ist eine Wirtschaft, eine Ökonomie des „genug“ nichts Verwerfliches. Es sollte genügend überbleiben für die, die mit ihrer täglichen Arbeit den Betrieb aufrechterhalten, und auch für die, welche das unternehmerische Risiko auf sich nehmen. Die Preise für die Produkte sollen für alle leistbar sein.
Wenn UnternehmerInnen mit den Gewinnen gute Arbeitsplätze erhalten und auch neue schaffen, leisten sie dadurch ihren Beitrag zum Gemeinwohl. Wenn die Gewinne aber in keinem Verhältnis mehr zu den ausgezahlten Löhnen stehen, müsste man eine moralische Rechtfertigung an den Haaren herbeiziehen. Wenn andere in den Lebensmöglichkeiten (in den finanziellen, sozialen, aber auch ökologischen) beschnitten werden, sind hohe und höchste Gewinne einfach nicht vertretbar.
Die Güter dieser Erde – Nahrung, Rohstoffe, Umwelt – sind zuallererst für alle Menschen da, und alle dürfen sie gebrauchen. Wenn nun die Katholischen Soziallehre sagt, dass Eigentum sozialpflichtig ist, heißt das im Alltag, dass Menschen ihr Eigentum, ihr Erworbenes nicht nur für sich selber nutzen, sondern möglichst auch andere Menschen in den Genuss ihrer Güter kommen lassen: etwa indem man das eigene Auto oder Fahrrad manchmal verleiht, Geld in sinnvollen Projekten anlegt, eigene Sachen, Wissen und Fähigkeiten teilt, überlegt was andere brauchen könnten, etwas vom eigenen Geld abgibt oder Räume und Geräte zur Verfügung stellt. Ein Verhalten, das etwa Orden praktizieren, indem sie den Mitgliedern der Gemeinschaft die notwendigen Dinge gemeinsam zur Verfügung stellen. Teilweise – in der nicht so radikalen Form – heißt diese Form des Teilens heute „Share-Ökonomie“: wichtiger als das eigene Besitzen ist das gemeinsame Nutzen von Dingen.
Ein weiteres gibt uns der Verfasser des Jakobus-Briefes zu bedenken, wenn er den Reichen vorwirft: Ihr fresst euch voll, kleidet euch fein ein und denkt nicht daran, dass das am Ende alles vorbei sein wird. Auch der reichste Österreicher konnte, als er vor wenigen Monaten starb, keinen Cent ins Jenseits mitnehmen. Warum seht ihr denn nicht, dass euer Reichtum keinen Bestand für immer hat – er vergeht, verfault und klagt euch an. Wofür ihr euch abmüht, worüber ihr glücklich seid, hat nach einiger Zeit, aber spätestens in der Ewigkeit keinen Bestand mehr. Ja wisst ihr denn nicht, worauf es wirklich ankommt im Leben?!
Und es genügt euch nicht, auf Kosten der Abhängigen zu prassen, sondern ihr macht auch die noch mundtot oder tot, die ein Gespür und eine Stimme für die Gerechtigkeit haben.
Die Rolle der Gerechten sollte mehrfach, tausendfach besetzt werden, gemeinsam mit vielen anderen Menschen, die ihr Engagement im Sinne der Menschenrechte vielleicht nicht aus religiösen Quellen speisen. Prophetisch für andere zu sprechen, die in den Härten des Alltags schon müde und ausgelaugt sind, die zu wenig wortgewandt für sich und die Armen einstehen können, für die Menschen außerhalb unseres täglichen Gesichtskreises und der Freunde und Freundinnen, für die Erhaltung unserer Umwelt und eines guten Lebensraumes für alle.
Aus dieser Sicht muss es heute heißen: Die Gerechten aber leisteten euch Widerstand – so wie der Bischof von Rom, Franziskus, schreibt: Damit wirklich jeder ökonomische Freiheit genießen kann, kann es manchmal notwendig sein, denen Grenzen zu setzen, die größere Ressourcen und finanzielle Macht haben (LS 129).
Text zur Besinnung
Du bist nicht, Gott,
wo Unrecht geschieht.
Es sei denn auf der Seite der Benachteiligten.
Du bist nicht, Gott,
wo man auf Kosten der anderen lebt.
Es sei denn auf der Seite der Armen.
Du bist nicht, Gott,
so man die Güter des Lebens anhäuft.
Es sei denn auf der Seite der Ausgeschlossenen.
Darum will ich dich suchen
in der Gerechtigkeit
und bei den Benachteiligten,
Armen, Ausgeschlossenen.
Anton Rotzetter © Alle Rechte beim Autor