Freitag 19. September 2025

Mehr als genug!

Predigtvorschlag zum Erntedanksonntag 2025
von Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Linz

Erste Lesung: Dtn 8,7-18

Lesung aus dem Buch Deuteronomium

Wenn der HERR, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt,

ein Land mit Bächen, Quellen und Grundwasser, das im Tal und am Berg hervorquillt,

ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatbaum,

ein Land mit Ölbaum und Honig,

ein Land, in dem du nicht armselig dein Brot essen musst, in dem es dir an nichts fehlt,

ein Land, dessen Steine aus Eisen sind, aus dessen Bergen du Erz gewinnst;

wenn du dort isst und satt wirst und den HERRN, deinen Gott, für das prächtige Land, das er dir gegeben hat, preist,

dann nimm dich in Acht und vergiss den HERRN, deinen Gott, nicht,

missachte nicht seine Gebote, Rechtsentscheide und Satzungen, auf die ich dich heute verpflichte.

Und wenn du gegessen hast und satt geworden bist und prächtige Häuser gebaut hast und sie bewohnst,

wenn deine Rinder, Schafe und Ziegen sich vermehren

und Silber und Gold sich bei dir häuft und dein gesamter Besitz sich vermehrt,

dann nimm dich in Acht, dass dein Herz nicht hochmütig wird und du den HERRN, deinen Gott, nicht vergisst,

der dich aus Ägypten, dem Sklavenhaus, geführt hat;

der dich durch die große und Furcht erregende Wüste geführt hat, durch Feuernattern und Skorpione,

durch ausgedörrtes Land, wo es kein Wasser gab;

der für dich Wasser aus dem Felsen der Steilwand hervorsprudeln ließ;

der dich in der Wüste mit dem Manna speiste, das deine Väter noch nicht kannten,

um, nachdem er dich gefügig gemacht und dich geprüft hat, dir zuletzt Gutes zu tun.

Dann nimm dich in Acht

und denk nicht bei dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener Kraft und mit eigener Hand erworben.

Gedenke vielmehr des HERRN, deines Gottes:

Er ist es, der dir die Kraft gibt, Reichtum zu erwerben,

weil er seinen Bund, den er deinen Vätern geschworen hatte, so verwirklichen will, wie er es heute tut.


Evangelium: Mk 6,30-44

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus

Die Apostel versammelten sich wieder bei Jesus und berichteten ihm alles, was sie getan und gelehrt hatten.

Da sagte er zu ihnen: Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!

Denn sie fanden nicht einmal Zeit zum Essen, so zahlreich waren die Leute, die kamen und gingen.

Sie fuhren also mit dem Boot in eine einsame Gegend, um allein zu sein.

Aber man sah sie abfahren und viele erfuhren davon;

sie liefen zu Fuß aus allen Städten dorthin und kamen noch vor ihnen an.

Als er ausstieg, sah er die vielen Menschen und hatte Mitleid mit ihnen;

denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.

Und er lehrte sie lange.

Gegen Abend kamen seine Jünger zu ihm und sagten: Der Ort ist abgelegen und es ist schon spät.

Schick sie weg, damit sie in die umliegenden Gehöfte und Dörfer gehen und sich etwas zu essen kaufen können!

Er erwiderte: Gebt ihr ihnen zu essen!

Sie sagten zu ihm: Sollen wir weggehen, für zweihundert Denare Brot kaufen und es ihnen zu essen geben?

Er sagte zu ihnen: Wie viele Brote habt ihr? Geht und seht nach!

Sie sahen nach und berichteten: Fünf Brote und außerdem zwei Fische.

Dann befahl er ihnen, sie sollten sich in Mahlgemeinschaften im grünen Gras lagern.

Und sie ließen sich in Gruppen zu hundert und zu fünfzig nieder.

Darauf nahm er die fünf Brote und die zwei Fische, blickte zum Himmel auf, sprach den Lobpreis,

brach die Brote und gab sie den Jüngern, damit sie diese an die Leute austeilten.

Auch die zwei Fische ließ er unter allen verteilen.

Und alle aßen und wurden satt.

Und sie hoben Brocken auf, zwölf Körbe voll, und Reste von den Fischen.

Es waren fünftausend Männer, die von den Broten gegessen hatten.

 

Predigt:

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder,

in den letzten Jahren haben Ernteausfälle durch klimabedingte Dürre- oder Dauerregenperioden erheblich zugenommen. Sie werden häufiger, und sie werden größer. Regional liegen sie mitunter schon im zweistelligen Prozentbereich und sind damit für manche landwirtschaftlichen Betriebe in betroffenen Gebieten existenzbedrohend. Könnte es also passieren, dass wir in weiteren zehn oder zwanzig Jahren auch global zu wenig Ernteerträge haben? Geht die Welt einer kollektiven Unterversorgung mit Lebensmitteln entgegen?

  1. Die Ursachen des Hungers

Schauen wir zunächst auf die Fakten: Aktuell betrifft Unter- oder Mangelernährung etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung, also knapp 800 Millionen Menschen. Zu Beginn des Jahrtausends waren es noch etwa 20 Prozent – der Anteil hat sich also halbiert. Die absoluten Zahlen sind aber kaum zurückgegangen, von einer Milliarde nur auf 800 Millionen, denn die Weltbevölkerung ist erheblich gewachsen. Und natürlich: 800 Millionen sind in Wirklichkeit 800 Millionen zu viel.

 

Was sind die Ursachen für diesen „Hungersockel“, der offensichtlich nicht so leicht wegzubekommen ist? Schauen wir zunächst auf die Mikroebene der einzelnen Hungernden: Laut der Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen fehlt ihnen vor allem der Zugang zu finanziellen Mitteln, um sich Nahrung kaufen zu können. Sie sind schlicht und ergreifend zu arm, und die Lebensmittel werden immer teurer. Auf der Makroebene der vom Hunger am meisten betroffenen Länder sehen wir, dass es sich vorwiegend um politisch instabile oder von Krieg oder Bürgerkrieg betroffene Staaten handelt. Im Gazastreifen, im Sudan und in Afghanistan können wir das über die Medien hautnah miterleben.

 

Keine Ursache für den Hunger so vieler Menschen ist hingegen, dass es global gesehen zu wenig Lebensmittel gäbe. Im Gegenteil: Würden alle verfügbaren Lebensmittel gerecht auf alle Menschen der Erde aufgeteilt, könnten alle sehr gut satt werden! Es ist Stand heute genug für alle da.

  1. Gott sorgt für uns

Liebe Schwestern und Brüder, für alle, die an einen Schöpfergott glauben, ist das auch eine Glaubensfrage. Hätte Gott die Erde so geschaffen, dass sie nicht genügend Ernteerträge für alle Menschen hervorbringen könnte, könnten wir kaum von einem guten Schöpfer sprechen. Sehenden Auges ließe er uns in die Hungerkatastrophe rennen. Aber so ist Gott nicht! Er gibt uns mehr als genug, wie uns die beiden Schrifttexte erzählen, die wir eben gehört haben. In der Lesung schwärmen die Autoren des Buchs Deuteronomium vom Land Israel: Korn, Wein und Öl, Früchte und Milch – alles ist reichlich und in höchster Qualität vorhanden. Und das in einem Land, das landwirtschaftlich nicht zu den meistbegünstigten Ländern der Erde zählt. Aber es reicht, und die Bibel erzählt voll Dankbarkeit davon.

 

Auch im Evangelium ist davon die Rede, dass mehr als genug zu essen da ist. Die Jünger jammern und klagen, ehe sie sich überhaupt die Mühe gemacht haben, die mitgebrachten Vorräte zu inspizieren. Es ist so menschlich – und doch so falsch. Aber Jesus fordert sie heraus: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ Und siehe da, die Jünger überzeugen die Leute, miteinander zu teilen, was sie mitgebracht haben, und alle werden satt. Ja, es bleiben sogar noch zwölf Körbe voll Brot übrig.

 

Allerdings machen uns die beiden Texte auch deutlich, dass es dieses „mehr als genug“ zu würdigen und zu bewahren gilt.

  • Zu würdigen, indem wir nicht vergessen, wie gut es uns geht, wenn wir satt werden. Das Buch Deuteronomium warnt vor der Vergesslichkeit, die so schnell für selbstverständlich hält, was in Wirklichkeit ein großes Geschenk ist; und vor der Achtlosigkeit, die dem, was wir haben, keine Wertschätzung mehr entgegenbringt und der Gier den Weg bereitet, immer mehr und immer bessere Nahrungsmittel zu wollen.
     
  • Zu bewahren, indem wir die Reste nicht einfach wegwerfen, sondern einsammeln und aufheben, um sie bei der nächsten Mahlzeit zu verwenden. Schon zur Zeit Jesu war das eine Selbstverständlichkeit, und so tun die Jüngerinnen und Jünger, was sie bereits als kleine Kinder gelernt haben: Sie sammeln die Reste ein. Denn Brot wirft man nicht weg! Doch diese Selbstverständlichkeit ist heute ins Wanken geraten. Rund ein Drittel unserer Lebensmittel werfen wir heute in den Industrieländern ungenutzt weg – und über die Hälfte davon stammt aus den Haushalten! Es sind weder die Produzentinnen und Produzenten noch der Handel, die für den größten Teil der Lebensmittelverschwendung verantwortlich sind, sondern wir – die Endverbraucherinnen und Endverbraucher. Rund 800 Euro pro Haushalt und Jahr werfen wir einfach in den Müll. Klar, wenn wir uns eine solche Verschwendung leisten, können nicht alle Menschen satt werden.
  1. „Mehr als genug“

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Kinder, „mehr als genug“ lautet das diesjährige Motto der Schöpfungszeit, die wir vom 1. September bis zum 4. Oktober begehen. Sie lädt uns ein, das große Geschenk zu würdigen, das uns der Schöpfer in den vielfältigen und guten Lebensmitteln bereitet, und es achtsam zu bewahren, damit aus der Fülle kein Mangel wird und damit alle an der Fülle Anteil erhalten können. Die Hauptursachen für den Welthunger werden wir als unbedeutende Bürgerinnen und Bürger nicht beseitigen können. Wir können aber zumindest dafür sorgen, dass keine zusätzlichen Ursachen dazukommen. Und wir können unseren kleinen Beitrag zu einer Kultur der Dankbarkeit und Achtsamkeit leisten, wenn wir die Worte der Lesung im Herzen tragen: „Nimm dich in Acht und denk nicht bei dir: Ich habe mir diesen Reichtum aus eigener Kraft und mit eigener Hand erworben. Gedenke vielmehr des HERRN, deines Gottes: Er ist es, der dir die Kraft gibt“. Er ist es, der dich mehr als genug beschenkt.

 

Die Ernteausfälle der letzten Jahre können uns in diesem Sinne eine Mahnung sein, den Wert der Lebensmittel nicht zu vergessen, sondern Tag für Tag im Tischgebet dem zu danken, der sie uns schenkt.

 

Amen.

 

Liedvorschläge:

Herr, dich loben die Geschöpfe (GL 466)

Erfreue dich, Himmel, erfreue dich Erde (GL 467)

Gott gab uns Atem (GL 468)

 

Gebet zur Segnung der Erntegaben oder auch an einer anderen Stelle des Gottesdienstes:

Gott, unser Vater,

du sorgst für deine Geschöpfe.

Menschen, Tieren und Pflanzen schenkst du Wasser, Nahrung und Lebensraum im Überfluss.

Für alle ist mehr als genug vorhanden.

Wir danken dir für die Ernte des Jahres.

Nähre und stärke alle Geschöpfe mit dem, was auf Wiesen und Feldern, auf Almen und Bergen,

in Gärten und Weinbergen gewachsen ist.

Lass uns allezeit dankbar sein vor dir, unserem Schöpfer

und staunen über die Fülle deiner Gaben.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

 

Gabengebet

Bescheiden sind die Gaben, die wir dir zurückgeben, Gott, unser Schöpfer.

Doch mit ihnen bringen wir die gesamte Fülle der Erde.

Öffne unsere Herzen in diesem Mahl für deine überreiche Liebe

und mach uns bereit, mit allen Geschöpfen zu teilen.

Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.

 

Anmerkung: Das Motto des Erntedanksonntags ist übernommen von der OeKU, der ökumenischen Arbeitsstelle Kirchen und Umwelt in der Schweiz. Bei dieser Stelle können unter www.oeku.ch auch weitere Materialien zum Thema und für die Schöpfungszeit vom 1.9. bis zum 4.10. bezogen werden.

Die OeKU schreibt zum diesjährigen Motto: «Mehr als genug» – Schöpfungszeit 2025

Wir haben mehr als genug – eine farbige Vielfalt an Früchten und Gemüsen, eine große Auswahl an frischen, regionalen Nahrungsmitteln, die uns sättigen und unseren Gaumen freuen. Aber auch vielerlei Import- und Fertigprodukte stehen uns in Hülle und Fülle zur Verfügung. Die ganze Welt sorgt für unser Wohlergehen.

Wie können wir die Vielfalt und Qualität unserer Nahrung mit Freude und Dankbarkeit genießen und gleichzeitig der wachsenden Anzahl von hungernden Menschen auf der Welt gegenüber nicht abstumpfen, sondern handlungsfähig bleiben und aktiv werden?

Wie verschwenden wir weniger Lebensmittel? Würde eine achtsame Einschränkung und ein bewusster Verzicht unsere Sehnsucht und unseren Hunger nach einem anderen Mehr wecken?

 

Erntedankpredigt Download

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